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Kreditskandal in Mosambik: Audit offenbart Ungereimtheiten bei der Beteiligung der Credit Suisse und der Firma Palomar in Zürich

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Zur Vorgeschichte: Im Jahr 2013 schloss die Credit Suisse London in Kooperation mit der russischen Bank VTB London Kreditgeschäfte von insgesamt 2,07 Milliarden Dollar mit Mosambik, dem neuntärmsten Land, ab – mit fatalen Folgen. Eine handverlesene Truppe um den damaligen Präsidenten, Armando Guebuza, und einen früheren Geheimdienstchef, Antonio do Rosario, wollte für Verteidigungszwecke in geheimer Mission einen Kredit von über 2 Milliarden US$ aufnehmen. Weil dieser den Banken zu hoch erschien, wurde er dreigeteilt und zwischen Februar 2013 und Mai 2014 etappenweise ausbezahlt.[1] Als Empfänger signierten drei neu gegrün­dete halbprivate Firmen, die dem Geheimdienst unterstanden. Der Löwenanteil des Geldes war für Küstenschutz und militärische Projekte bestimmt. Die Kredite wurden vor der internationalen Öffentlichkeit, inklusive IWF, geheim gehalten und auch vor dem eigenen Parlament und der Staatsbank verschwiegen, zugleich aber mit Staatsgarantien versehen. Dies bedeutete einen Verstoss gegen die Verfassung und das Budgetgesetz, die vorschreiben, dass Kredite von einer bestimmten Höhe zwingend durch das Parlament abgesegnet werden müssen.

Nachdem im August 2013 Informationen über einen der Kredite durchgesickert waren, entschieden die Auftraggeber, diesen Kredit mit dem Aufbau einer Thunfisch-Fangflotte zu begründen. Diese Flotte, die maximal 90 Mio $ kostete, sollte das eigentliche Geschäft – die Anschaffung von Waffen, Schnell- und Patrouillen­booten – tarnen. Zwei Jahre später wurde die wahre Summe dieses Kredits publik: 850 Mio $. Als im April 2016, unmittelbar nach Umschuldung dieses Fischerei-Kredits, die übrigen zwei Kredite aufflogen, stoppten IWF und Geberländer ihre Zahlungen an Mosambik. Das Land geriet in finanzielle Schieflage und erklärte Ende Oktober 2016 seine Zahlungsunfähigkeit.

Gegendarstellung des Anwaltbüros der Privinvest: „Es stimmt nicht, dass die Thunfisch-Fangflotte das eigentliche Geschäft, die Anschaffung von Waffen, Schnell- und Patrouillenboten, hätte tarnen sollen und dass erst zwei Jahre später die wahre Summe des Kredits von 850 Mio Dollar publik geworden sei. Richtig ist, dass alle Details ds Projekts in einem öffentlich einsehbaren Prospekt aufgeführt wurden. EMATUM wurde als öffentlicher Bond über den freien Markt finanziert. Die Privinvest, deren Management und Aktionäre haben sich in keiner Art und Weise am Verkauf oder an der Beschaffung von Waffen an bzw. für Mozambik oder mozambikanische Unternehmen beteiligt, weder im Zusammenhang mit den Kreditverträgen noch anderweitig. Die Kroll-Untersuchung kommt vielmehr eindeutig zum Schluss, dass es keinerlei Hinweise gebe, die solches belegen würden.“

Die Kreditgeschäfte waren durch zwei Banken ermöglicht worden, die CS London und die russische Bank VTB London. Die Kredite waren für drei Firmen bestimmt – ProIndicus 622 Mio$ (CS 504/ VTB 118); Ematum 850 Mio$ (CS 500/VTB 350); MAM (535 Mio$ (CS 000, VTB  535) – und wurden jeweils in mehreren Tranchen abgewickelt. Die Auszahlungs-Modalitäten wurden erstmals durch den Bericht der Untersuchungskommission des mosambikanischen Parlaments vom 30. Nov. 16 bekannt. Die CS London spielte bei der Kreditvergabe vermutlich die aktivere Rolle als VTB: Die CS war mindestens seit Januar 2013 mit Mosambik im Geschäft, um Zwecke und Umstände des Kreditdeals abzuklären, und wickelte alle ihre Kredite ab, bevor die VTB-Bank ihrerseits das Kreditgeschäft aufnahm. Der erste Kredit (für Proindicus) war ein Syndikat- oder Konsortialkredit (Leadmanager war wohl die CS), für den zweiten (Ematum) verkauften die Banken Bonds – vorwiegend an europäische und US-Investoren -, weshalb dieser Kredit als erster bekannt wurde. Die CS überwies zwischen März und Sept. 2013 total 1,04 Mrd $ (in Tranchen an Proindicus und Ematum).[2] Erst danach, nämlich zwischen Ende Sept. 2013 und Juni 2014, übermittelte die russische Bank VTB weitere 1,03 Mrd $. Beim MAM-Kredit scheint die CS nicht beteiligt gewesen zu sein.

Auf Geheiss des IWF setzte die mosambikanische Generalstaatsanwaltschaft im November 2016 ein unabhängiges Audit-Verfahren ein – durch die Firma Kroll, im Auftrag der schwedischen Botschaft in Mosambik und formell geleitet durch die mosambikanische Staatsanwaltschaft. Nach dreimaliger Verlängerung endete es am 12.Mai 2017, und ein Résumée von ca. 60 Seiten („Kroll-Report“) wurde am 23. Juni publiziert. Der detaillierte Audit-Bericht bleibt bis Ende August unter Verschluss. – Im Folgenden ein kurzer Überblick über (1) die Widerstände, mit denen das Audit zu kämpfen hatte, (2) seine wichtigsten Ergebnisse, (3) bisherige Reaktionen darauf und (4) die absehbaren Konsequenzen.

 

(1) Widerstände gegen das Audit

Teile der mosambikanischen Regierung sträubten sich monatelang gegen das ihr auferlegte Klärungsverfahren. Wichtige Mitspieler geizten mit Auskünften. Der Geheimdienst (SISE) verweigerte weitgehend die Kooperation. Auch das Finanzministerium und lokale Banken lieferten nicht alle verlangten Dokumente. Zentrale Sachverhalte blieben daher unaufgeklärt. Viele Informationen sind zu dürftig, um weiter gehende Schlüsse zuzulassen. Antonio do Rosario, der Chef der drei halbprivaten Firmen, für die die 2,07 Mrd. $ bestimmt waren, warf die Audit-Crew sogar aus seinem Büro, “because they wanted details of questions about state security.”[3] Auch die Firmen Privinvest, zuständig für den Bau der Schiffe, und Palomar, die zur Privinvest-Gruppe gehört und unter anderem die Transaktionen abwickelte (s.unten, Punkt 3), hielten nach Angaben im Kroll-Report vermutlich Informationen zurück. Privinvest bestreitet dies:

Gegendarstellung des Anwaltbüros der Privinvest: „Es stimmt nicht, dass Privinvest gegenüber Kroll Informationen zurückgehalten hätte. Richtig ist vielmehr, dass Privinvest mit Kroll zusammenarbeitete und dieser wesentliche Unterlagen zustellte. Dazu wird im Kroll-Report festgehalten. ‚A considerable volume of information, both in English and Portuguese, has been provided in response to Kroll’s formal information requests‘. Als Beispiele erhaltener Unterlagen nennt Kroll unter anderem ‚final versions of supply contracts and appendices‘ oder ‚internal correspondence files from the Contractor‘. Zutreffend ist einzig, dass vertragliche Verpflichtungen die Weitergabe von gewissen Informationen betreffend Preisfestsetzung ohne Zusicherung der Geheimhaltung durch den Empfänger verunmöglichten. Dies ist im Geschäftsleben jedoch nichts Aussergewöhniches.'“

Die Ergebnisse des Audits sind so oder so lückenhaft: (a) Die erhaltenen Dokumente über relevante Verträge und Zahlungen sind unvollständig  (S.6).[4] (b) Die Angaben über die Verwendung der drei Kredite von 850, 622 und und 535 Mio $ beschränken sich auf 10, 11 und 16 Kurzzeilen (S.22, 31, 38). Man weiss nicht, wohin die Gelder geflossen sind. (c) Es ist unklar, nach welchem Verfahren die mosambikanischen Firmen ihre Vertragsfirma – Privinvest – bestimmten und ob sie sie überhaupt unter mehreren Bewerbern auswählten (S.18). (d) Unklar ist ebenfalls, wieweit die Firmen Privinvest und Palomar die Geschäfte ordnungsgemäss abwickelten („due diligence“) und (e) an welche Unternehmen sie wieviel auszahlten (S.50f.). Im April 2017 bestätigte sich das Gerücht, dass ein Teil der Kredite in Waffenkäufe investiert worden sind, z.B. bei „Israel Weapon Industries“, und ein Sohn des damaligen Präsidenten, Mussumbuluko Guebuza, diese Käufe überwachte.[5])

Gegendarstellung des Anwaltbüros der Privinvest: „Es stimmt nicht, dass unklar sei, nach welchem Verfahren die mosambikanischen Firmen Privinvest bestimmt und wieweit Privinvest und Palomar die Geschäfte ordnungsgemäss abgewickelt hätten. Es bestehen vielmehr keinerlei Anzeichen für Unregelmässigkeiten oder Ungewöhnlichkeiten, weder in Bedzug auf das Auftragsvergabeverfahren noch auf die Geldflüsse zu den genannten Unternehmen hin oder von diesen weg. Ebenso wenig bestehen Gründe, die eine ordentliche Auftragserfüllung durch die genannten Unternehmen bezweifeln liessen.“

Die Dürftigkeit der gelieferten Informationen zwang die Firma Kroll dazu, die marktüblichen Kosten für den Schiffbau schätzen zu lassen. Dieser erwies sich als um 713 Mio $ überteuert (S.15, 49). In einer Äusserung vom 25. Juni behauptete die verantwortliche Firma Privinvest jedoch, die Preise lägen im Rahmen des Üblichen („what it charged was in line with other customers“).[6]

Gegendarstellung des Anwaltbüros der Privinvest: „Es stimmt nicht, dass sich der Schiffbau als um 713 Mio Dollar überteuert erwiesen hätte. Die Schätzung von Kroll beruht – wie im Report von Kroll selber eingeräumt wirdauf unvollständigen Informationen und belegt keineswegs eine Differenz in der behaupteten Höhe.“

Beim 850 Mio $ schweren Thunfischflotten-Kredit („Ematum“) brachte das Audit keine Klärung über den Verbleib von 500 Mio $ (S.14; 33f.), über die in Mosambik schon seit Juli 2015 gerätselt wird. Die Beteiligten – die Privinvest-Gruppe, der mosambikanische Verteidigungsminister und Antonio do Rosario, Chef der drei halbprivaten Firmen (= „Person A“ im Audit-Bericht) – gaben dazu widersprüchliche Auskünfte.[7] Bei einem Viertel der 2,07 Mrd $ bleibt die Verwendung also ein Mysterium. Dazu kommen die 713 Mio $ an überteuerten Preisen (S.15, 49). Ausserdem offenbarten Vergleiche der Businesspläne der drei Firmen Preisdifferenzen für äquivalente Waren von bis zu 440 Mio $ (S.43f.).

Es zeigte sich, dass bei früheren Kredit-Prüfungen die mosambikanische Seite falsche Aussagen gemacht hatte. Manche Zahlungen bleiben ungereimt. So fand das Audit-Team den Hinweis auf die Überweisung einer mosambikanischen Behörde (Finanzministerium bzw. Geheimdienst) von 53 Mio $ an die Credit Suisse. Laut Vertrag hätte diese Zahlung aber von Firma Abu Dhabi Mar (Teil von Privinvest) realisiert werden müssen (S.15; 29), und laut einem Dokument von Ernst & Young ist dies womöglich auch so geschehen (S.30). – Eigenartig, dass die CS diesen Punkt nicht aufzuklären half. So mysteriös wie die Quelle der Zahlung bleibt auch ihr Zweck.

Gegendarstellung des Anwaltbüros der Privinvest:“Es stimmt nicht, dass manche Zahlungen im Zusammenhang mit der Privinvest ungereimt geblieben seien. Die Geldflüsse von und zu Privinvest sind dokumentiert und nicht aussergewöhnlich.“

 

(2) Ergebnisse des Audits

a. Für die Schweiz besonders brisant: Die Credit Suisse hatte für die Kreditzahlungen drei Bedingungen gestellt: Die Kredite sollten von der mosambikanischen Zentralbank bewilligt, vom Verwaltungericht überprüft und dem IWF gemeldet werden. Keine dieser Bedingungen wurde jedoch erfüllt. Weshalb die CS die Kredite trotzdem ausbezahlte, bleibt ein Rätsel. Seine Aufklärung ist umso dringlicher, als dieser Deal wie ein Dominostein die verschiedenen Etappen einer Tragödie anstiess, deren Konsequenzen Mosambik in seiner sozialen Entwicklung um viele Jahre zurückwarfen.[8] – Eine weitere, bereits seit längerem bekannte Bedingung, die die CS an die Kredite gestellt hatte, betraf die Bindung der Kredite an eine mosambikanische Staatsgarantie, die zwar formell gewährt wurde, aber – wie erwähnt – die mosambikanische Verfassung verletzte.

b. Die gesamten Mosambik-Kredite wurden unter Umgehung von Mosambique offenbar direkt an die Privinvest-Gruppe des Franco-Libanesen Iskandar Safa ausbezahlt, die eine wichtige Rolle spielte. Diese überwies nicht  mehr als 18,2 Mio $ davon an die mosambikanischen Firmen (S.13). Die Privinvest-Gruppe hatte den Auftrag, die mosambikani­schen Geschäfte zu regeln und die Schiffe (Thunfischfangflotte, Patrouillen- und Schnellboote, Katamarane) zu bauen – die Fischereiflotte sollte in einer Werft in Cherbourg, Frankreich, gebaut werden, was Präsident Hollande Anfang September 2013 bejubelte. Neuerdings kursiert ein Gerücht, ein Teil der Schiffe sei möglicherweise im Billiglohn­land Rumänien gebaut worden.[9] Kroll bezifferte den geschätzten Wert der Waren und Dienstleistun­gen, die Mosambik mit den Krediten insgesamt bei Privinvest einkaufte, auf lediglich 505 Mio $. Ein Teil des Materials erwies sich laut Kroll-Bericht als unbrauchbar. Weitere 200 Mio $ qualifizierte Kroll als Bankspesen. – Die CS liess umgehend verlauten, diese Zahlen seien nicht korrekt (s.unten, Punkt 3).

Gegendarstellung des Anwaltbüros der Privinvest: „Es stimmt nicht, dass der Staat Mosambik bei der Auszahlung der Kredite umgangen worden sei. Im Kontext von Grossprojekten, die von Drittbanken finanziert werden, ist es üblich, dass von den Banken verlangt wird, dass die Gelder direkt zu den Unternehmen fliessen. Es ist diesbezüglich klarzustellen, dass der Ablauf der Geldflüsse durch die Entscheidgremien der Darleiher – der Banken – definiert wurde, nicht von den Unternehmern.  Es stimmt auch nicht, dass sich ein grosser Teil des von der Privinvest geleisteten Materials als unbrauchbar erwiesen hätte. Im Report von Kroll findet sich keinerlei derartige Feststellung. Richtig ist, dass die Auftraggeber von Privinvest durchwegs zufrieden mit den gelieferten Waren und Leistungen sind, was EMATUM und das Fischereiministerium ausdrücklich bestätigten.“

c. Die finanzielle Abwicklung besorgte die ebenfalls zu Privinvest gehörige Firma Palomar.[10] Bei Palomar Capital Advisors in Zürich war für die Mosambik-Geschäfte ein Neuseeländer namens Andrew Pearse („Person B“ im Kroll-Bericht) verantwortlich, der zuvor bei der CS London angestellt und dort bis im Juni 2013 für die Vorbereitung des Proindicus-Kredits zuständig war (S.50). Kroll spricht die Vermutung aus (S.20), Pearse sei sogar Mitinhaber der Firma Palomar Capital Advisors. Pearse zufolge soll es keine Interessenkonflikte zwischen seiner Anstellung bei der CS und seinem anschliessenden Engagement bei Palomar Capital Advisors in Zürich gegeben haben.

d. Da für jeden der drei Kredite mehrere Auszahlungen erfolgten, kam es auch zu mehreren Verträgen mit entsprechendem (in verfassungswidriger Weise konzedierten) staatlichem Garantieschreiben (S.52).[11] Der Kroll-Report nennt (in verschlüsselten Hinweisen, von denen die meisten inzwischen entschlüsselt werden konnten) die Personen, die für Mosambik die Kreditverträge bzw. die jeweilige Staatsgarantie unterzeichnet haben. Sie gehörten einer zu diesem Zweck gebildeten interministeriellen Kommission an, mit Vertretern u.a. aus dem Finanz- und Verteidigungs­ministerium, dem Geheimdienst, dem Transport- und dem Fischereiministerium.[12] Eine dieser Personen ist der vormalige Finanzminister, Manuel Chang („Person C“). Er gab freimütig zu, dass er sich vom Geheimdienst zu Unterschriften habe überreden lassen, mit denen er Verfassung und Budgetgesetze brach (S.18).

e. Die Besitzer der Unternehmen im Hintergrund, nämlich der damalige Präsident (Armando Guebuza) und die Chefs der Firmengruppe Privinvest, Iskandar Safa und Bruder Akram Safa, werden im Audit-Bericht nicht erwähnt – auch nicht in verschlüsselter Form.

 

(3) Bisherige Reaktionen

Die CS widersprach unmittelbar nach Publikation des Kroll-Reports der Behauptung, sie habe 100 Mio $ oder mehr an Bankspesen eingenommen.[13] Kroll listet beim Proindicus-Kredit (S.19) gut 57 Mio $ als Spesen für die CS auf, beim Ematum-Kredit (S. 26) 53 Mio $ – insgesamt etwas über 110 Mio$. Wie erklärt sich der Einspruch durch die CS? Hat Kroll etwa vergessen, bei der Schweizer Bank nachzufragen? Oder hat diese vergessen, eine präzise Antwort zu geben? Jedenfalls nahm die Bank den Kroll-Report zum Anlass, endlich eine Frage zu beantworten, die ihr schon seit Monaten immer wieder gestellt wird:[14] Sie habe branchenübliche 23,8 Mio $ oder 2,3 % an Gebühren erhoben – für einen der Kredite oder für beide? Hinzu kamen 141 Mio $ „contractor fees“, um den Käufern die Kredite (Proindicus und Ematum) schmackhaft zu machen. Die russische Bank VTB erhob für den MAM-Kredit 35 Mio $ an Gebühren, aber keine „contractor fees“. In der Summe ergibt das 200 Mio $ an Bankspesen (wenn man die deutlich höheren Zahlen, die Kroll S.19 und 26 anführt, nicht mitzählt). Weitere 30,6 Mio $ sollen laut Kroll-Bericht im Zusammenhang mit Umstrukturierungen des Proindicus-Kredits an die Firma Palomar Capital Advisors AG mit Sitz in Zürich geflossen sein (S.13, 17).

Die Agentur finews.com bzw. finews.ch („Treffpunkt der Finanzwelt“) stellte am 26. Juni 2017 ein knappes Résumée des Audit-Reports (Titel: „CS‘ Handsome Return in Mozambique“) ins Internet. Dieser Text verschwand nach weniger als 24 Stunden spurlos und tauchte am 11.Juli überraschend wieder auf – allerdings in veränderter Fassung. Ein Vergleich der zwei Versionen offenbart vielsagende Unterschiede: Ein Zwischentitel der ersten Fassung „People With Deep pockets“ fehlt in der zweiten, der Untertitel „Overpaying for Fishing Boats“ wurde in eine Frage umgewandelt: „Overpaying?“ In dem Satz „The inquiry also found that Abu Dhabi Mar, Privinvest and Palomar in particular had had leading roles in all the Mozambique project” wurde die Wendung “in particular” gestrichen. Ein Satz wurde neu hinzugefügt: “A spokesperson for Palomar told finews.com that the Kroll-report contained errors and was misleading. Kroll never had contacted Palomar. Still, Palomar was ready to provide the necessary information at any time.”

Laut dem Kroll-Report sind der Audit-Firma weder die Verträge noch die Belege zum Zahlungsverkehr zwischen Palomar und Proindicus sowie zwischen Palomar und MAM ausgehändigt worden (S.50f.). Der Zusatz im korrigierten Finews-Text suggeriert, das Audit-Team habe es unterlassen, die Firma Palomar zu befragen. – Die Firma Palomar Capital Advisors AG (Zürich) befindet sich allerdings seit November 2016 in Liquidation. Kroll zufolge (S.51) geriet das Unternehmen am 18.Okt. 2016 unter Zwangsverwaltung.[15] Die Homepage einer Zürcher Firma Palomar Capital Advisors Ltd. ist aber noch intakt.

Eine Schlüsselfigur des Kredit-Skandals, Iskandar Safa (ein franco-libanesischer Geschäftsmann, verantwortlich für die Privinvest-Gruppe), betreibt inzwischen auch eine Schiffswerft in Kiel. Er versucht, mit weiteren afrikanischen Ländern, wie Angola und Kongo, ins Geschäft zu kommen – (Angola soll abgelehnt haben). Als vermutlicher Multimilliardär wird er mitunter als „Emperor of the high Seas“ betitelt.[16] Allerdings ist er (ebenso wie die CS) wegen des Mosambik-Skandals ins Fadenkreuz der amerikanischen Security and Exchange Commission (SEC) geraten.[17] Die britische Bankenaufsicht FCA und möglicherweise die FINMA interessieren sich ebenfalls für den Skandal.

Gegendarstellung des Anwaltbüros der Privinvest: „Es stimmt nicht, dass Iskandar Safa Drahtzieher oder Schlüsselfigur eines angeblichen ‚Kreditskandals‘ sei und die Bürger Mozambiks seine Bestrafung forderten (wie unten im 5. Bulletpoint behauptet). Unzutreffend ist auch, dass Iskandar Safa wegen eines solchen ‚Skandals‘ ins Fadenkreuz der amerikanischen Security and Exchange Commission (SEC) geraten sei und sich die britische Bankenaufsicht FCA sowie die FINMA ebenfalls für den ‚Skandal‘ interessiert hätten. Die Privinvest und Herr Iskandar Safa haben keinerlei Kenntnis einer laufenden Untersuchung, weder des SEC, noch der FCA oder der FINMA.“

 

(4) Absehbare Konsequenzen

● Aus Sicht des IWF hat die mosambikanische Regierung wegen mangelnder Kooperation beim Audit ihre Hausaufgaben nicht erfüllt. Die Washingtoner Behörde verlangt eine Fortsetzung des Audits zu fehlenden oder widersprüchlichen Informationen. Sie verweigert Mosambik weitere Finanzhilfe, bis ausreichend Transparenz hergestellt ist. Dies hat der zuständige IWF-Vertreter, Michel Lazare, anlässlich eines zehntägigen Besuchs in Mosambik (10.-19.Juli) nochmals bekräftigt. Wie sich die Geberländer verhalten werden, ist noch nicht bekannt.

● Seit April 2016, als die geheimen Kredite aufflogen und die ausländische Budgethilfe gestoppt wurde, schrumpften die Ausgaben für das Gesundheits- und Bildungswesen bereits drastisch. Der IWF drängt Mosambik nun zum Abbau von Defiziten und zur Erhöhung der Steuereinnahmen und also zu noch mehr Sozialabbau.

● Der Audit-Report bestätigt viele der bisher gehegten Befürchtungen und gibt alten wie neuen Gerüchten Auftrieb: Weshalb wurden alle verfassungsmässigen und finanztechnischen Kontrollmechanismen ausgehebelt, wieso flossen die Kredite nicht nach Mosambik, sodass die Zentralbank keine direkten Informationen erhielt? Warum wurden der IWF und die Geberländer an der Nase herumgeführt? Wie erklärt sich die hartnäckige, langjährige Weigerung, die Verwendung der fehlgeleiteten 500 Mio $ (oder mehr) offenzulegen? Darüber existieren diverse Spekulationen:  der Krieg gegen die Renamo, der zeitgleich mit der Aufnahme des Ematum-Kredits aufflammte und möglicherweise beachtlichte budget-externe Ressourcen verschlang, die Finanzierung der Wahlkampagne von 2014 und/oder des Versuchs von Präsident Guebuza 2013-14, die Verfassung zu ändern, um sich ein drittes Mandat zu sichern, persönliche Bereicherung und vielleicht auch Geldwäscherei. Die Credit Suisse und VTB haben mangels Vorsichtsmassnahmen sehr direkt die big-scale Korruption finanziert und die Käufer der Ematum-Bonds und des Proindicus-Kredits in den Skandal hineingezogen.

● Die Gläubiger der geheimen Kredite zerfallen in zwei Lager. Das Syndikat der Ematum-Bond-Inhaber betrachtet diese Bonds als of “‘unquestionable‘ legality”, weil die illegale Staatsgarantie dafür schon im März 2016, anlässlich ihrer Umschuldung, anscheinend legalisiert worden sei. Um die Chancen auf Rückzahlung zu erhöhen, raten sie der Regierung Mosambiks, die Schulden von Proindicus und MAM nicht anzuerkennen.[18] Diese Haltung ist inkonsistent, denn alle drei Kredite sind unter verfassungswidrigen Bedingungen aufgenommen worden, und alle drei hat man im Nachhinein zu legalisieren versucht. Die Gläubiger aber wollen selbstverständlich ihr Geld zurück und hoffen, dass sich die mosambikanische Zivilgesellschaft nicht dagegen wehren kann. Diese verlangt indessen, unterstützt durch die örtliche Kirche, dass die Schulden – als „odious debts“ – abgeschrieben werden. Sie wird dabei von der englischen und deutschen Jubilee Debt Campaign tatkräftig unterstützt.[19]

Gegendarstellung des Anwaltbüros von Privinvest: „Die Privinvest, deren Management und Aktionäre waren und sind in keiner Weise an der Finanzierung von Korruption beteiligt. Entsprechende Hinweise finden sich weder im Kroll-Bericht noch gibt es sonst irgendwelche Hinweise auf eine derartige Involvierung der Privinvest.“

● Die mosambikanische Gesellschaft ist tiefer gespalten als je seit Ende des Bürgerkriegs 1992. Die Übermacht einer kleinen Frelimo-„Elite“ und ihr Einfluss auf zentrale mosambikanische Institutionen bereitet wachsenden Teilen der Bevölkerung Sorgen: Dem von der Frelimo dominierten mosambikanischen Parlament wirft sie vor, Ende April 2017 die verfassungswidrigen Staatsgarantien für die Kredite (wenn auch unter Protest der Opposition) nachträglich legalisiert zu haben. Die mosambikanische Generalstaatsanwaltschaft (Procuradoria Geral) wird kritisiert, weil sie das Audit erst viele Jahre nach Aufflammen des Skandals und erst unter anhaltendem Druck aus dem Ausland initiierte und weil sie, die formell das Audit leitete, die Aussageverweigerung von physischen und juristischen Personen tolerierte, ohne einzuschreiten.[20] Viele Bürgerinnen und Bürger kritisieren diese Zustände öffentlich und verlangen, dass die Drahtzieher des Skandals bestraft werden. Die Wortführer der Unzufriedenen werden immer häufiger bedroht und fühlen sich ihres Lebens nicht mehr sicher.

● Die neuen IWF-Auflagen dürften weitere Beschneidungen der Sozialausgaben (insbesondere bei Gesundheit und Bildung) zur Folge haben. Manchen Spitälern fehlt es bereits jetzt am Nötigsten, die Sterblichkeit steigt. Die Ärmsten und Schwächsten haben einmal mehr das Nachsehen!

 

Postskript: Kontrapunkt bleibt auch nach der Intervention durch das Anwaltsbüro von Privinvest bei seiner Darstellung und stützt sich dabei auf die verschiedenen Fassungen des Kroll-Reports sowie auf die Ergebnisse der Enquete-Kommission, die ihre Ergebnisse am 09.12.2016 dem mosambikanischen Parlament vorgestellt hat: http://www.open.ac.uk/technology/mozambique/mozambique-government-documents

 


[1] Dies die Aussage des früheren Geheimdienstchefs, A. do Rosario, vor der Enquete-Kommission des mosambikanischen Parlaments, die der parlamentarische Untersuchungsbericht vom 30.Nov.2016 zitiert: http://www.open.ac.uk/technology/mozambique/mozambique-government-documents

[2] Genaue Zahlen und Daten: Kroll-Report, S.52.

[5] Tageszeitung “Canal do Moçambique”, 05.04.17, S.2-4.

[7] „Person A [= Do Rosario] told Kroll that invoices for Tuna-fishing vessels concealed the purchase of other assets. Privinvest said this was ‘completely untrue and potentially very damaging’ to the company.” (Ag. Bloomberg, 30.06.2017)

[8] Vgl. dazu meine Berichte unter www.rat-kontrapunkt.ch [Rubrik ‚Wirtschaft‘] und die Zusammenfassung bei Infosperber, 26.12.2016.

[10] Privinvest und Palomar waren (als “contractor”) zuständig für: “structuring the projects; introducing Credit Suisse as a lender; agreeing the Contractor Fees (…); providing funds to the Mozambique Companies to cover operational expenditure and share capital; funding loan repayments; arranging the MAM loan agreement alongside VTB Capital; contracting with the Mozambique Companies and the Ministry of Finance to restructure the loan agreements (and receiving fees for doing so); and (for ProIndicus) taking responsibility for generating revenues and contracting to receive a proportion of any future revenues.“ [zit. nach Hanlon, 24.06.17: http://www.open.ac.uk/technology/mozambique/ , dort unter dem Link „Mozambique News Reports & Clippings“ jenen vom 24. Juni 2017 wählen.

[11] Die Daten der einzelnen Kreditverträge und der Staatsgarantien sind im Kroll-Report S.52 zusammengestellt und S.53 erläutert.

[12] @Verdade, 7.7.17. zählt 12 Personen auf, die die Geheimen Kredite mit auf den Weg brachten: „Portanto o @Verdade conseguiu identificar um grupo não pequeno, de pelo menos 12 funcionários do Estado, que tinham conhecimento e desempenharam um papel activo na contratação dos empréstimos inconstitucionais e ilegais: Armando Guebuza, Gregório Leão, António Carlos do Rosário, Manuel Chang, Maria Isaltina Lucas, Filipe Nyusi, Victor Bernardo, Eugénio Henrique Zitha Matlaba, Henrique Álvaro Cepeda Gamito, Raúfo Ismael Irá, Victor Borges, Alberto Mondlane.“

[13] Ag. Bloomberg: Credit Suisse Disputes Fees Shown  in Kroll Mozambique Audit. 26.06.17: https://www.bloomberg.com/news/articles/2017-06-25/credit-suisse-disputes-fees-detailed-in-kroll-mozambique-audit

[14] Vgl. zum Beispiel den Offenen Brief von Rat-Kontrapunkt.ch an die Leitung der CS, den die WOZ am 8.12.2016 publizierte.

[15] „On 18 October 2016 Palomar Capital Advisors Ltd was placed into administration. On 17 February 2017 Palomar assigned its rights to receive the Running Fees to an entity called VR Global Partners, L.P., a company that appears to be registered in the Cayman Islands and part of the VR Global Capital Group.“ (Kroll-Report, p.51)

Individuelle Texte sind nicht durch das Diskursverfahren von kontrapunkt gelaufen.