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Kreditskandal in Mosambik: Die intransparente Rolle der Credit Suisse

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Offener Brief an die Leitung der Credit Suisse

 

Im Jahr 2013 schloss die Credit Suisse London in Kooperation mit der russischen Bank VTB London mehrere Kreditgeschäfte von insgesamt über zwei Milliarden Dollar mit Mosambik ab – mit fatalen Folgen für das Entwick­lungsland. Mit 1,04 Mrd. $ ist die CS an zwei Krediten beteiligt, die höchstwahrscheinlich zum Teil für Waffenkäufe eingesetzt wurden. Sie hat zugelassen, dass die Regierung Mosambiks ohne die nötige Zustimmung des Parlaments verfassungswidrige Staatsgarantien für die Kredite sprach. Diese Staatsgarantien haben Mosambik jetzt in die Zahlungsunfähigkeit getrieben. Was über die Abwicklung des Kreditgeschäfts bekannt ist, weckt ernste Zweifel daran, ob die Bank ihren Sorgfaltspflichten (Due Diligence) nachgekommen ist. Immerhin bekennt die Credit Suisse: „Unternehmerische und gesellschaftliche Verantwortung liegt in unserer DNA.“ (Grossinserat vom 21.11.16 in NZZ, Tagesanzeiger, Bund). Wir fordern die CS auf, dieses Bekenntnis in die Tat umzusetzen.

Die CS-Kredite gingen an eine Fischereifirma (Ematum, 500 Mio $) und eine für den Küstenschutz zuständige Firma (Proindicus, 504 Mio $), hinter denen der Geheimdienst stand, und wurden an ein Firmenkonglomerat in Abu Dhabi mit einer Schiffswerft in Cherbourg weitergereicht, die dafür eine Fischereiflotte, Schnell- und Patrouillenboote bauen sollte. Entgegen der mosambikanischen Verfassung wurden diese Kredite sowie zwei weitere Kredite anderer Banken mit einer Staatsgarantie versehen, ohne dass das Landesparlament darüber abstimmte. Drei dieser Kredite – sie belaufen sich auf 1,4 Mrd. $ – wurden vor der nationalen und internationalen Öffentlichkeit, vor den Geberländern, dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank geheim gehalten. Das Geld floss in intransparente Geschäfte, gut 900 Mio $ verschwanden, und es besteht der Verdacht, dass in grösserem Umfang Kriegsgerät gekauft wurde. Genau zu dieser Zeit flammte in Mosambik zwischen den Parteien Frelimo und Renamo ein bewaffneter Konflikt auf, der sich später intensivierte und Tausende Mosambikaner zur Flucht in die Nachbarländer veranlasste. Kurz nach einer teilweisen Umschuldung flogen die geheimen Kredite im April 2016 auf. Unverzüglich sistierten IWF, Weltbank und Afrikanische Ent­wicklungs­bank ihre Zahlungen an Mosambik, und 14 westliche Länder (inkl. Schweiz) froren ihre Budgethilfe ein. Mosambik gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Die geheimen Kredite erhöhen seine Staatsschuld um 20 Prozent. Sie erreicht nun 93% des Sozialprodukts, und der Schuldendienst beträgt 800 Mio $ pro Jahr. Am 25. Oktober d.J. meldete das Land Zahlungsunfähigkeit („debt distress“) an. Am 4. November einigte sich Mosambik mit dem IWF auf die Durchführung eines auf 90 Tage befristeten Auditverfahrens. Seit sieben Monaten untersucht auch die Finma die Rolle der CS.

Die Öffentlichkeit ist schlecht informiert, obwohl Mosambik ein Schwerpunktland der schweizerischen Entwicklungs­zusammenarbeit ist. Das beharrliche Schweigen der Credit Suisse zum Skandal ist kaum vertrauen­erweckend. Wir appellieren an die Bank und an die Finma, das Audit-Verfahren tatkräftig zu unterstützen und der Öffentlichkeit baldmöglichst bekanntzugeben, welche Massnahmen zur Schadensminimierung vorgesehen sind.

Als besonders dringlich erachten wir die Beantwortung der folgenden Fragen:

1) Die Kredite gingen an Firmen, die vom Geheimdienst und vom Verteidigungsministerium kontrolliert werden. Kritische Medien in Mosambik gehen davon aus, dass die Kredite grossenteils für militärische Ausrüstungen ausgegeben wurden. Ein erster Verdacht kam schon im November 2013 auf, als sich die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Frelimo und Renamo gerade zuspitzten.

→  Frage: Hat die CS eine klare Zweckbestimmung für die Kredite vereinbart und darin Waffenkäufe ausgeschlossen?

2) Die von der CS London aufgelegten Ematum-Papiere in Höhe von 500 Mio $ wurden durch die russische Bank VTB um 350 Mio $ aufgestockt. Die Firma Ematum überwies den gesamten Betrag (abzüglich Bankspesen von 13,7 Mio $) unmittelbar nach Erhalt in zwei Tranchen an die Mutter­gesellschaft der Schiffswerft. Es ist unüblich, so hohe Summen vollständig auszuzahlen, bevor die Tauglichkeit des gekauften Produkts geprüft worden ist. Nach einer Anzahlung muss man die Fortzahlung stoppen können, wenn Rhythmus oder Qualität der erbrachten Leistungen nicht befriedigen. Nachdem eine Fischfangflotte geliefert worden war, erwies sie sich prompt als nicht einsatzfähig.

  Frage: Welche Konditionen hat die CS im Kreditvertrag mit Ematum festgelegt und zu welcher Verwendung waren die zusätzlichen 350 Mio $ bestimmt?

3) Um die Mosambikkredite gegen Ausfall versichern zu können, verlangte CS London von Mosambik eine Staatsgarantie. Der Finanzminister der Regierung Guebuza sicherte diese schriftlich zu, umging dabei aber das Parlament, das gemäss Verfassung hätte einwilligen müssen. Die CS hat sich also auf ein verfassungswidriges, das Prinzip der Gewaltenteilung missachtendes Vorgehen der Vertragspartnerin eingelassen. Damit riskierte sie, das Prinzip von Treu und Glauben zu verletzen, und zieht sich den Vorwurf zu, Geschäfte zum Schaden der mosambikanischen Bevölkerung abgeschlossen zu haben.

  Frage: Wieso hat die CS nicht abgeklärt, ob das Parlament die erforderliche Zustimmung erteilt hat und ob das Land in der Lage war, eine Staatsgarantie für derart hohe Kredite zu erfüllen?

4) Insgesamt wurden in Mosambik Kredite von 1,4 Mrd $ der Öffentlichkeit, dem Parlament und der Zentralbank sowie international dem IWF, der Weltbank und den internatio­nalen Geldgebern verschwiegen. Bevor im März 2016 der Ematum-Kredit mit den Gläubigern neu verhandelt und umgeschuldet wurde, machte Mosambiks Finanzminister der Regierung Nyusi die Falschaussage, es gebe keine geheimen mosambikanischen Kredite. So blieb den Gläubigern eine wesentliche Information vorenthalten. Wenige Tage später deckte das Wall Street Journal die geheimen Kredite auf.–>         

  Frage: Warum hat die CS nichts gegen dieses Versteckspiel unternommen?

5) In ihrer Beziehung zum Schwerpunktland Mosambik legt die schweizerische Entwicklungszusam­menarbeit (DEZA und SECO) besonderen Wert „auf gute Regierungsführung, institutionelle Reformen und Stärkung der Rechenschaft gegenüber der Bevölkerung“ (Stellungnahme des Bundesrats vom 9.11.16 zur Interpellation von Carlo Sommaruga vom 28.09.16). Die Deals der CS mit den Firmen Ematum und Proindicus und die Art ihres Zustandekommens torpedieren diese Zielsetzung.

  Frage: Wie begründet die CS als Schweizer Bank dieses den Grundsätzen der schweizerischen Entwicklungs­zusammenarbeit zuwiderlaufende Vorgehen?

6) Die englische Jubilee Debt Campaign und das deutsche „Erlassjahr.de“ rufen die CS London und die VTB London auf, Mosambik die Schulden, die im Zusammenhang mit den drei Kreditgeschäften aufgelaufen sind, zu erlassen. Allerdings hat die CS ihre Kreditguthaben im Fall Ematum in handelbare Wertpapiere verpackt und diese verkauft, im Fall Proindicus offenbar gestückelt und  direkt weiterverkauft. Dementsprechend müsste sie bei einem Schuldenerlass alle heutigen Gläubiger entschädigen. Das entbindet CS und VTB aber nicht von ihrer Verantwortung gegenüber Mosambik.

→  Frage: Wie gedenkt die CS ihrer Verantwortung für den in Mosambik (und bei den Gläubigern) angerichteten Schaden konkret nachzukommen?

 

Dieser offene Brief ist initiiert von Kontrapunkt – Rat für Wirtschafts- und Sozialpolitik. Kontrapunkt ist eine politisch und wirtschaftlich unabhängige Vereinigung von Wissenschaftlern/innen an Schweizer Hochschulen aus den Bereichen der Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften.

Zu den Einzelheiten des komplexen Falls sind  zwei Dokumentationen mit vielen Links zu Quellen verfügbar: Der Mosambik-CS-Skandal I und Der Mosambik-CS-Skandal II„.  Ergänzende News vom 16.12.2016:  „Der Mosambik-CS-Skandal III„.

 

Dieser offene Brief ist von folgenden Persönlichkeiten unterzeichnet worden:

Mitglieder von Kontrapunkt:  Prof. Dr. Marc Chesney, Institut für Banking und Finance, Universität Zürich;  Prof. em. Dr. Jean-Daniel Delley, Politikwissenschafter, Universität Genf;  Prof. Dr. Michael Graff, Volkswirtschafter, ETH Zürich;  PD Dr. Thomas Kesselring, Philosoph u. Entwicklungsethiker, Universität Bern i.R./Prof. convidado Universidade Pedagógica do Moçambique;  Prof. em. Dr. René Levy, Soziologe, Universität Lausanne;  Prof. em. Dr. Wolf Linder, Politikwissenschafter, Universität Bern;  Prof. em. Dr. Philippe Mastronardi, Öffentlichrechtler, Universität St. Gallen;  Prof. em. Dr. Fritz Osterwalder, Erziehungswissenschafter, Universität Bern;  Prof. em. Dr. Hans-Balz Peter, Sozialethiker und Sozialökonom, Universität Bern;  Dr. h.c., lic. rer.pol. Rudolf H. Strahm, dipl. Chemiker, ehemaliger Preisüberwacher, alt Nationalrat;  Prof. em. Dr. Christoph Stückelberger, Wirtschaftsethiker, Universität Basel, Gründer von Globethics.net, Genf;  Prof. em. Dr. Peter Ulrich, Wirtschaftsethiker und Betriebswirtschafter, Universität St. Gallen;  Prof. em. Dr. Mario von Cranach, Psychologe, Universität Bern;  Prof. em. Dr. Karl Weber, Soziologe, Universität Bern;  Prof. em. Dr. Theo Wehner, Arbeits- und Organisationspsychologe, ETH Zürich.

Mitglieder im Initiativkomitee der Konzernverantwortungsinitiative:  Cecile Bühlmann, Stiftungsratspräs. Greenpeace, alt Nationalrätin (1991-2006);  Alec von Graffenried, alt Nationalrat (2007-15), Bern;  Dr. h.c. Anne-Marie Holenstein, Entwicklungsexpertin u. ehem. Direktorin Fastenopfer, alt Nationalrätin;  Andreas Missbach, Geschäftsleitung Public Eye;  Peter Niggli, ehem. Geschäftsführer Alliance Sud (1998-2015);  Prof. Dr. Guido Palazzo, Unternehmensethiker, HEC, Universität Lausanne;  Prof. Dr. Monika Roth, Juristin spezialis. auf Wirtschaftsstrafrecht, Corp. Governance u. Compliance Management, Hochschule Luzern;  Prof. Dr. Florian Wettstein, Wirtschaftsethiker, Universität St. Gallen.

Weitere Persönlichkeiten:  Rudolf Bärfuss, ehem. Schweizer Botschafter in Mosambik (2001-04);  Dr. med. Reiner Bernath, Arzt in Mosambik an verschiedenen Distrikt- und Provinzspitälern (insges. 5 ½ Jahre, 1977-2011);  Dr. Beat Dietschy, ehem. Geschäftsführer „Brot für alle“ (bis 2015), Bern;  Josef Estermann, Geschäftsleitung CoMundo im RomeroHaus, Luzern;  Dr. Peter Früh, Chemiker ETH, pensioniert, Basel;  Dr. Elisa Fuchs, Kultur und Internationale Zusammenarbeit, Vorstand Verein „Solidarität mit Moçambique“ (1986-2005);  Dr. med. FMH Yvonne Gilli, Ärztin, alt Nationalrätin (bis 2015);  Dominik Gross, Internationale Finanz- und Steuerpolitik Alliance Sud;  Adrian Hadorn, ehem. Schweizer Botschafter in Mosambik (2004-06);  Frank Haupt, Programmleiter Entwicklungszusammenarbeit (mehrere Jahre in Mosambik), Vorstand Verein „Solidarität mit Moçambique“ (1986-2005);  Pia Hollenstein, alt Nationalrätin, St. Gallen;  Rudolf Meyer, Sprachlehrer, Zürich;  Marguerite Misteli, Entwicklungsplanerin in Mosambik (1981-90), alt Nationalrätin/Präsidentin Parlamentariergruppe Afrika (AWEPA, 1991-96);  Pfr. Albert Rieger, ehem. Leiter der Fachstelle OeME Bern;  Prof. em. Dr. Alois Riklin, Politikwissenschafter, Universität St. Gallen; Herbert Schmid, erster Koordinator der schweiz. Entwicklungszusammenarbeit in Mosambik (1985-89);  Lukas Straumann, Geschäftsführer des Bruno Manser Fonds;  Dr. Ruth-Gaby Vermot-Mangold, ehem. National- und Europarätin, Präs. Gesellschaft für bedrohte Völker;  Theo Weilenmann, Unternehmer, Stäfa;  Dr. med. FMH Urs Zschokke, Arzt, Basel.

 

Recherche: Thomas Kesselring

Redaktion: Thomas Kesselring & Peter Ulrich

 

Individuelle Texte sind nicht durch das Diskursverfahren von kontrapunkt gelaufen.

3 Kommentare zum "Kreditskandal in Mosambik: Die intransparente Rolle der Credit Suisse"

  1. FRITZ Müller 26. Januar 2017 um 21:01 Uhr ·

    Ist interessant, aber wer die Jungs im Bondhandel kennt, weiss, dass sie ungeduldige Pressbacken sind. Würde mich nicht wundern, wenn der Compliance-Officer abwesend war, oder zu viel um die Ohren hatte, dank dieser (subj. gesehen) nimersatten und gierigen Verkäufer.
    Die Finma schläft auch schon seit mehr als einem halben Jahr? Genug Zeit, um bank-intern alle Spuren zu beseitigen.
    Für was ist der extrem teuere US-Aupasser dem CH-Rechtsdienst vorgesetzt worden? Mosambique soll Verzicht auf Schulden beantragen, und Finma eine Busse (Scmiergeld, für’s wegschauen).
    Die Systempresse schläft auch, offensichtlich alles presstituierte Lohnschreiber, unter Vertrag von Redaktor-Logenbrüdern.

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