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Universitätssponsoring im Spannungsfeld zwischen öffentlichen und privaten Interessen

Autorinnen/Autoren: und
Von Kontrapunkt* vom 19. Februar 2014

Universitäten sind teure öffentliche Einrichtungen der Bildung und Forschung. Die ihnen zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel bleiben hinter dem wachsenden Bedarf infolge steigender Studierendenzahlen, wachsenden Lehr- und Forschungsaufwands sowie einer anspruchsvoller werdenden administrativen Infrastruktur zurück. Die Aufsichtsbehörden verlangen von den Universitäten zunehmend die teilweise Selbstfinanzierung. Dementsprechend nimmt deren Abhängigkeit von privaten Drittmitteln spürbar zu. Spätestens die Diskussion über das mit 100 Millionen Schweizer Franken vonseiten der UBS gegründete „UBS International Center of Economics in Society“ an der Universität Zürich hat aufgezeigt, wie dringend klare und glaubwürdige Normen definiert werden müssen, die sicherstellen, dass finanzielle Zuwendungen nicht zur Aushöhlung der Wissenschaftsfreiheit führen.

Wie über diese Frage gedacht und wie zur ihr Stellung genommen wird, hängt wesentlich vom Vorverständnis dessen ab, was eine moderne Universität ausmacht. Wir skizzieren daher zuerst zwei idealtypische, sich polar gegenüberstehende Universitätsmodelle und charakterisieren in ihrem Licht kurz die realtypische Universitätspolitik der Schweiz (Abschn. 1). Auf dieser Basis entwerfen wir dann einen Kriterienkatalog für vertretbare Formen des Universitätssponsoring, die den schweizerischen Gegebenheiten angemessen sind (Abschn. 2).

1.  Normatives Vorverständnis der Universität

a) Das Humboldt’sche Universitätsideal

Das klassische Ideal der Universität ist untrennbar mit dem Namen von Wilhelm von Humboldt (1767-1835) verknüpft.  Wie weit dieses Ideal tatsächlich seinen Schriften entnommen werden kann und wie weit es Humboldt erst später in idealtypisch überhöhter Weise zugeschrieben worden ist, spielt hier zunächst ebenso wenig eine Rolle wie die vom Ideal immer schon mehr oder weniger abweichende Realität. Gemäss den Humboldt’schen Ideen soll die Universität Ort der reinen Wissenschaft sein, also von keinen ihr äusserlichen Zwecken und Vorgaben beeinflusst werden; vielmehr soll sie allein der inneren Erkenntnislogik des akademischen Forschungs- und Reflexionsprozesses folgen (akademische Freiheit). Konsequenterweise wird die Organisation der Universität vom Prinzip der akademischen Selbstverwaltung geprägt.

Die Lehre basiert auf der freien persönlichen Forschung der Dozierenden (Einheit von Forschung und Lehre). Die Studierenden werden in die „Gelehrtenrepublik“ eingeführt, indem sie lernen, durch eigenes Forschen Erkenntnisse zu gewinnen. Die dabei gewonnene Reflexionskompetenz und Fähigkeit autonomen wissenschaftlichen Arbeitens formt Persönlichkeiten, die dem humanistischen und emanzipatorischen Bildungsideal der Aufklärung entsprechen. Wer akademisch gebildet ist, hat das Vermögen zur selbstbestimmten Lebensführung ebenso wie zur republikanischen Teilnahme am „öffentlichen Vernunftgebrauch“ (Kant) unter freien Bürgern erworben. Die ideale Wissenschaftsform korrespondiert somit weitgehend der modernen, freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsform. Zu dieser trägt die Universität wesentlich bei, indem sie die Identität von Bildungs-, Staats- und Wirtschaftsbürgertum fördert.

Das Humboldt’sche Ideal humanistischer Bildung hat jedoch nur noch wenig mit den heute dominierenden Anforderungen einer arbeitsmarktfähigen Ausbildung zu tun, wie sie sich beispielsweise in der Bologna-Reform niedergeschlagen haben. Je mehr die reale Universität zur Stätte qualifizierter Berufsausbildung wurde, umso mehr gewannen äussere Zwecke gegenüber dem inneren Selbstzweck der Wissenschaft an Gewicht. Auch dieses Universitätsverständnis lässt sich mittlerweile mit einem idealtypischen Modell verbinden.

b) Das Ideal der „Entrepreneurial University“

Ihren bisher radikalsten Ausdruck hat die aus dem angelsächsischen Raum stammende Neuausrichtung des Universitätsverständnisses im Jahr 2012 im OECD-Leitkonzept „A Guiding Framework for Entrepreneurial Universities“ (www.oecd.org/site/cfecpr/guiding-framework.htm) gefunden. Die Universität wird nun im Kern als eine Wissensfabrik verstanden, die nutzbares Verfügungswissen generiert und dafür von den Nutzenempfängern bezahlt wird. Sie soll mit anderen Worten eine Problemlösungs- und Dienstleistungsorganisation für Wirtschaft und Gesellschaft sein. Fast konträr zur Humboldt’schen Universitätsidee ist daher nicht mehr die Autonomie der Universität das zentrale Anliegen, sondern eine niedrige Schwelle der Kooperation und des Wissenstransfers zwischen Wissenschaft und Praxis. Zahlungsbereite Nachfrage für praxisbezogene Lehrgänge und Auftragsforschung ist als forschungsleitender Gesichtspunkt nicht nur zulässig, sondern geradezu ein Schlüsselkriterium für die Leistungsfähigkeit einer Universität, eines Fachbereichs oder eines Instituts. Selbst das kritische Orientierungs- und Reflexionswissen, das die Geisteswissenschaften anzubieten haben, soll sich nach Möglichkeit dem pekuniär bestimmten „Wissensmarkt“ anpassen, indem es seine Nützlichkeit (Verwertbarkeit) beweist. Konsequenterweise wird mehr oder weniger generell in Berufungsverfahren die Fähigkeit von Kandidaten, Drittmittel zu generieren, zu einem Prüfstein der Berufbarkeit.

Im idealtypischen Grenzfall, wenn auch bisher kaum in praktischen Umsetzungsversuchen, bedürfen in der Entrepreneurial University nur noch die Grundlagenforschung und das grundlegende Lehrangebot weiterhin der öffentlichen Finanzierung, da ohne sie über kurz oder lang auch die Basis für qualifizierte Auftragsforschung abhandenkäme. Doch selbst die staatliche Forschungsfinanzierung wird nicht mehr als pauschale Ausstattungsfinanzierung (Input-Steuerung, also von den Voraussetzungen unabhängiger Forschung her) konzipiert, sondern teils an generelle Leistungsaufträge gebunden und teils als antragsbasierte und extern evaluierte Projektfinanzierung ausgestaltet (Output-Steuerung, also von den angestrebten Ergebnissen her). Es wird damit zur Aufgabe einer „strategischen“ Führung der Universität, attraktive „Leuchttürme“ wettbewerbsfähiger Forschung und Lehre zu definieren; und es wird Sache staatlicher Forschungspolitik, bestimmte Schwerpunkte gezielt zu fördern, etwa durch „nationale Forschungsschwerpunkte“ oder „nationale Forschungsprogramme“ und ähnliche Instrumente.

So wird die universitas im Sinne der (real ohnehin kaum je bestehenden) systematischen Gleichbehandlung aller Lehr- und Forschungsgebiete gewollt oder ungewollt preisgegeben zu Gunsten einer weitgehend von universitätsexternen Interessen gesteuerten Entfaltung oder auch Schrumpfung von Wissenschaftsfeldern. Intrinsische Erkenntnisinteressen werden durch extrinsische „Anreize“ und dahinterstehende Nutzungsinteressen überlagert, denen sich aufgrund von Finanzierungszwängen schleichend auch die Rektorate mit ihren „Entwicklungsstrategien“ zur Steigerung der „Wettbewerbsfähigkeit“ der jeweiligen Universität beim Einwerben von Drittmitteln unterwerfen (Ökonomisierung der Wissenschaft). Gebremst wird diese Tendenz allerdings von der traditionellen Teilautonomie der Fakultäten oder Fachbereiche und den Verfahren der akademischen Selbstverwaltung. Gerade deshalb wird im Konzept der Entrepreneurial University die latent widerständige akademische Selbstverwaltung in wesentlichen Bereichen ersetzt durch hierarchische Führungsstrukturen, wie sie in Unternehmen üblich sind. Die Rektorate werden gestärkt, um dem „Eigensinn“ dezentraler Wissenschaftskulturen Grenzen zu setzen und die Gesamtuniversität strategisch „positionieren“ zu können.

c) Wo steht die schweizerische Universitätspolitik?

Es steht uns fern, das alte Humboldt’sche Ideal der Universität nostalgisch zu verklären oder zu verherrlichen und die neuen Dienstleistungs­funktionen der (allein mit öffentlichen Mitteln kaum mehr finanzierbaren) heutigen Universitäten pauschal zu verdammen. Es geht uns hingegen darum, die Differenz zwischen einem bewusst gewählten normativem Ideal und faktischen Tendenzen zu reflektieren, damit im Spektrum zwischen den beiden idealtypisch skizzierten Orientierungspolen ein klares universitätspolitisches Leitbild und entsprechend ausgerichtete Finanzierungsregeln bestimmt werden können.

Der schweizerischen Universitätspolitik kann konzediert werden, dass sie bis anhin einen einigermassen ausgewogenen Mittelweg zwischen den beiden je auf ihre Weise radikalen Ideenwelten verfolgt hat. Am Humboldt’schen Ideal haben sich ohnehin nur die älteren kantonalen Universitäten orientiert, und auch diese kaum je so konsequent wie etwa deutsche Universitäten. Den beiden Bundesuniversitäten (ETHZ und EPFL) sind von Anfang an externe Zwecke zugrundegelegt worden, die zwar nicht ausschliesslich, aber doch wesentlich industriepolitischer Art waren. Manche Elemente ihrer Ausrichtung ebenso wie ihrer Organisations- und Führungsstruktur können heute besser im Lichte des Modells der Entrepreneurial University als in jenem der Humboldt’schen Universitätsidee verstanden werden.

Die daraus entstandene Aufgabenteilung zwischen kantonalen und Bundesuniversitäten gilt es zu beachten. Während den beiden ETH eine weitgehende Ausrichtung auf eine niedrige Transferschwelle zur industriellen Praxis sowie zum Dienstleistungssektor quasi eingeschrieben ist und entsprechende finanzielle Partnerschaften (beispielsweise nach den Spielregeln der Kommission für Technologie und Innovation KTI) von einer breiten Öffentlichkeit als eher unproblematisch wahrgenommen werden, stehen die kantonalen Universitäten heute stärker vor der Herausforderung, eine tragfähige Balance zwischen beiden Universitätsmodellen zu finden. Zwar ist es legitim und zeitgemäss, wenn sie sich ein Stück weit hin zu Wirtschaft und Gesellschaft öffnen und für Impulse von aussen vermehrt empfänglich werden. Aber dabei müssen sie sich der unverzichtbaren Rolle der Universitäten für eine offene, freiheitlich-demokratische Gesellschaft, nämlich als unantastbarer Ort des freien Denkens, Forschens und Lehrens, bewusst bleiben. Es gilt deshalb die Spannung zwischen Humboldt’schem Ideal und faktischen Finanzierungszwängen auszuhalten und den unverzichtbaren Vorrang der öffentlichen Bildungsaufgabe als Leitgedanken der Universitätspolitik bei der Gewichtung von wirtschaftlichen Interessen zu wahren.

Ausgeprägter als die beiden ETH pflegen „Volluniversitäten“ zudem geistes- und sozialwissenschaftliche Disziplinen, die sich weniger mit natürlichen Objekten als vielmehr mit humanen Subjekten und ihren intentionalen Handlungsweisen befassen. Sie bieten oft weniger anwendbares Verfügungswissen (Know how) als vielmehr reflexives Orientierungswissen (Know what and why). Dabei sind, sowohl bei den forschungsleitenden Erkenntnisinteressen als auch in der praktischen Verwendung, immer auch – explizit oder implizit – normative Prämissen im Spiel. Deshalb sind hier die Gefahren der Einflussnahme auf weltanschauliche und politische Entscheidungen, die in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft nicht von Experten, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern im „öffentlichen Vernunftgebrauch“ (Kant) zu treffen sind, signifikant grösser als bei Natur- und Technikwissenschaften. Aus diesem Grund sind etwa die Erziehungs-, die Gesellschafts- und nicht zuletzt die Wirtschaftswissenschaften als besonders sensible Bereiche für Sponsoring zu begreifen. Wenn Sponsoren an der Unterstützung solcher Forschungs- und Lehrbereiche interessiert sind, ist folglich spezielle Vorsicht und Klarheit bezüglich der Spielregeln geboten.

2.  Bedingungen für das Universitätssponsoring

Welchen Kriterien müssen akzeptable Sponsoring-Verträge genügen, die im skizzierten Sinne einer ausgewogenen Universitätspolitik akzeptabel sind? Wir schlagen vor, die Kriterien in drei systematische Gruppen einzuordnen: wissenschaftsethische, finanzielle und organisatorische Kriterien.

a) Wissenschaftsethische Prinzipien

Grundlegend ist zunächst das formale Erfordernis der vollständigen Transparenz aller Sponsoring-Verträge (ohne eingeschwärzte Passagen). Die uneingeschränkte „Fähigkeit zur Publizität“ hat schon Immanuel Kant als den Prüfstein legitimer Rechtsansprüche begriffen; diese vertragen sich niemals mit einer „Maxime, die ich nicht darf laut werden lassen, ohne dadurch meine eigene Absicht zu vereiteln, (…) und zu der ich mich nicht öffentlich bekennen kann, ohne dass dadurch unausbleiblich der Widerstand aller gegen meinen Vorsatz gereizt werde“ (Zum ewigen Frieden, 1795). Das Transparenzgebot gilt nicht erst für die fertig ausgehandelten Sponsoring-Verträge, sondern grundsätzlich für alle relevanten Entscheidungsverfahren. Partielle Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip bedürfen ihrerseits einer „publizitätsfähigen“ Begründung und der Überwachung durch ein vertrauliches Gremium, dem volle Transparenz gewährt wird.

Inhaltlich steht das konsequent gewährleistete Primat der Wissenschaftsfreiheit an erster Stelle. Es gilt der eindeutige Schutz von Lehre und Forschungsvorhaben in allen Phasen vor Interventionen jeder Art seitens der Geldgeber. Dieser Schutz hat sich  besonders zu bewähren im Fall von kritischen, also unbequemen öffentlichen Stellungnahmen. Einschränkungen der Publikationsfreiheit bezüglich der Ergebnisse gesponserter Forschung durch die Sponsoren sind prinzipiell ausgeschlossen (Recht an geistigem Eigentum).

Zweitens dürfen den Sponsoren keine universitären Werbeplattformen offeriert werden. Die Bezeichnung ganzer Universitätseinheiten oder Lehrstühle, einzelner Hörsäle oder akademischer Veranstaltungen mit dem Firmennamen eines Sponsors kommt nicht in Frage. Hingegen kann durchaus erwogen werden, den persönlichen Namen eines Mäzens, der mit einer finanziellen Zuwendung glaubhaft keinerlei sachfremde Interessen verbindet oder verbinden kann (beispielsweise weil er verstorben ist und es sich um ein Legat aus seinem Nachlass handelt), in die Bezeichnung des Förderbereichs einzubeziehen. Von Mäzenatentum kann dabei nur dann gesprochen werden, wenn eindeutig ideelle Motive dominieren, beispielsweise die Unterstützung „brotloser“, aber kulturell und gesellschaftlich gleichwohl wertvoller Fachgebiete. Im Unterschied dazu sind bekanntlich mit Sponsoring Geschäftsinteressen direkter Art (vor allem Knowhow-Gewinnung) oder indirekter Art (vor allem Imageförderung) verbunden.

Gerade deshalb sollte drittens eine unabhängige und interdisziplinär zusammengesetzte akademische Kommission schon vor der Erwägung eines Sponsoring-Vertrags den guten Ruf des Sponsors überprüfen. Um die Instrumentalisierung der Universität für Zwecke der Rufbeschönigung oder Imageverbesserung einer Firma von vornherein zu vermeiden, kommen Unternehmen, die mit regelmässigen Skandalen in Verbindung gebracht werden, als Sponsoren nicht in Betracht. Darüber hinaus kommt es auf den spürbaren guten Willen eines möglichen Sponsors zur Wahrung der akademischen Prinzipien an. Zwar sind Sponsoren wie erwähnt keine Mäzene, aber gute Sponsoren integrieren in ihre Förderbereitschaft Ideen des Mäzenatentums für die klassische Bildungsuniversität; sie beweisen damit ihren Respekt und ihre öffentliche Mitverantwortung für die öffentlichen Aufgaben der Universität.

 

b) Finanzielle Leitlinien

Unverzichtbare Voraussetzung für gute Sponsoring-Verträge ist zunächst, dass ein klarer Rahmen der öffentliche Finanzierung definiert wird, der eine Mindestausstattung aller Fachbereiche gewährleistet. Hier sind die Behörden in der Pflicht, tragfähige und mittelfristig verlässliche Verhältnisse zu schaffen. Fehlen diese, so kann es nicht verwundern, wenn Universitätsrektorate unter dem Druck von Finanzlücken dazu tendieren, die Spielregeln für Sponsoring-Verträge immer weiter zu lockern und auszureizen.

Innerhalb des Globalbudgets einer Universität ist nicht nur bei der Aufteilung der öffentlichen Mittel, sondern auch bei Sponsoring-Verträgen vonseiten der Universitätsleitung auf die gesamtuniversitäre Ausgewogenheit zwischen den akademischen Disziplinen zu achten. Um die faire Chancengleichheit zwischen allen Fachgebieten und einen tragfähigen Pluralismus von Forschungsansätzen – z.B. solchen mit hoher vs. geringer Affinität zu privatwirtschaftlichen Interessen – zu gewährleisten, ist eine Art von inneruniversitärem „Finanzausgleich“ vorzusehen, in den alle Sponsoren verbindlich einbezogen werden. Das kann beispielsweise in Form einer einheitlichen prozentualen Abgabe von allen akquirierten privaten Drittmitteln geschehen. Fliesst diese Abgabe in einen von allen Professoren (Senat) überwachten und von einer interdisziplinären Kommission (mit gleichgewichtiger Beteiligung aller Fachbereiche!) verwalteten Universitätstopf, so kann damit das hierzulande vergleichsweise noch gering entwickelte akademische Mäzenatentum für kommerziell uninteressante Fachgebiete ein Stück weit substituiert bzw., soweit tatsächlich vorhanden, verstärkt werden.

Von diesem Gesichtspunkt der Fairness zwischen den Fachbereichen zu unterscheiden ist die Sicherung der allgemeinen Infrastruktur und der Basisleistungen einer Universität, ohne die auch punktuelle Spitzenforschung kaum gedeihen kann. Zwar ist dafür, wie schon erwähnt, grundsätzlich die öffentliche Hand in die Pflicht zu nehmen. Denkbar wäre gleichwohl die Ermunterung aller Sponsoren zu einer freiwilligen Beteiligung an der universitären Basisfinanzierung. Wer als Sponsor an der finanziellen Förderung bestimmter Forschungsfelder interessiert ist, beweist seinen guten Willen zur Förderung der universitären Leistungsfähigkeit, indem er einen im Sponsoring-Vertrag prozentual ausgewiesenen Deckungsbeitrag für die allgemeine universitäre Infrastruktur leistet (Abgrenzung von punktueller, projektgebundener Auftragsforschung). Nur so wird Sponsoring wissenschaftlich nachhaltig.

c) Organisatorische Umsetzung

Wir plädieren für eine klare Zuständigkeitsabgrenzung: Die Beteiligung der Sponsoren (oder von „Delegierten“, die sie benennen können) in akademischen Gremien ist generell auszuschliessen. Es gilt die personalpolitische Autonomie der Universität hochzuhalten, insbesondere in Berufungskommissionen. Ebenso inakzeptabel wie die Einsitznahme in Gremien ist die Vorgabe hochspezifischer Lehr- oder Forschungszwecke durch Sponsoren. Direktes Lehrstuhlsponsoring ist aus diesem Grund im Prinzip nicht vertretbar.

Wie schon mehrfach angeklungen ist, dürfte die Bildung einer permanenten interdisziplinären Kommission für die Ausarbeitung aller Sponsoring-Verträge zweckmässig sein, um ausgewogene Vertragsvorschläge zuhanden der Universitätsleitung zu gewährleisten, die allen involvierten Interessen unter Wahrung der dargelegten Prinzipien gerecht werden.

Schliesslich stellt sich die Frage der Regelungsebene: Wie weit kann die Festlegung von Sponsoring-Richtlinien selbst Gegenstand der (kantonalen) Universitätsautonomie sein? Wie weit sollte sie Sache der Gesetzgebung auf Bundesebene sein? Diesbezüglich ist dringend Klärung geboten. Ohne der nötigen demokratisch-rechtstaatlichen Willensbildung vorzugreifen, dürften hier die bewährten Grundsätze des schweizerischen Föderalismus gelten: Kantonale Universitätsautonomie ja, aber innerhalb einer nationalen Rahmengesetzgebung, welche zwecks Fairness im Wettbewerb zwischen den Universitäten einheitliche Mindeststandards für eine nachhaltige Entwicklung der Drittmittelfinanzierung an den schweizerischen Universitäten definiert.

19. Februar 2014

* Diesen Text haben folgende Mitglieder von kontrapunkt mitunterzeichnet:
Gabriella Bardin Arigoni, Politologin, Universität der italienischen Schweiz; Prof. em. Beat Bürgenmeier, Volkswirtschafter, Universität Genf; Prof. em. Dr. Jean-Daniel Delley, Politikwissenschafter, Universität Genf; Prof. Dr. Paul Dembinski, Volks- & Betriebswirtschaftler, Uni Fribourg und Observatoire de la Finance Genf; Prof. Dr. Michael Graff, Volkswirtschafter, ETH Zürich; Dr. Peter Hablützel, Hablützel Consulting, Bern; Dr. iur. Gret Haller, Bern; Prof. Dr. Kurt Imhof, Soziologe, Universität Zürich; Prof. em. Dr. René Levy, Soziologe, Universität Lausanne; Prof. em. Dr. Philippe Mastronardi, Öffentlichrechtler, Universität St. Gallen; Prof. em. Dr. Hans-Balz Peter, Sozialethiker und Sozialökonom, Universität Bern; Dr. oec. HSG Gudrun Sander, Betriebswirtschafterin, Universität St. Gallen; Prof. Dr. Christoph Stückelberger, Wirtschaftsethiker, Universität Basel; Dr. h.c. Rudolf H. Strahm, Herrenschwanden; Prof. em. Dr. Mario von Cranach, Psychologe, Universität Bern; Prof. em. Dr. Karl Weber, Soziologe, Universität Bern; Prof. Dr. phil. Theo Wehner, ETH Zürich, Zentrum für Organisations- und Arbeitswissenschaften (ZOA), Zürich; Daniel Wiener, MAS-Kulturmanager, Basel.

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