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Warum eine Vollgeldreform dringend notwendig ist

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„Von all den vielen Arten, das Bankensystem zu organisieren, ist das, was wir heute haben, die schlechteste.“[1] Diese Aussage des Chefs der britischen Nationalbank, Mervyn King, mag etwas überspitzt sein. Doch zeigen auch die Fakten eindeutig, dass das bestehende Geld- und Bankensystem seine Aufgabe nur schlecht erfüllt.

So wurden zwischen 1970 und 2010 in Mitgliedstaaten des Internationalen Währungsfonds’ insgesamt 425 Finanzkrisen registriert, davon 145 Banken-, 208 Währungs- und 72 Staatsschuldenkrisen.[2] In der Schweiz musste 2008 die strauchelnde UBS mit 68 Milliarden Franken durch den Staat gestützt werden, um einen Dominoeffekt im Bankensystem und einen möglichen Verlust von Kundengeldern zu verhindern. Ein weiteres Beispiel für das unvernünftige Design des bestehenden Geld- und Bankensystems liefert Frankreich und der heute als unantastbar geltende monetäre Grundsatz, wonach es den Zentralbanken verboten ist, den Staat zu finanzieren. Wäre dem französischen Schatzamt im Jahr 1973 nicht per Gesetz verboten worden, sich von der Zentralbank zinslos Geld zu besorgen, hätte die Staatsverschuldung Frankreichs im Jahr 2009 nicht 78 Prozent, sondern lediglich 9 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) betragen – und das ohne zusätzliches Gelddrucken, allein durch das Ersparen der Zinskosten.[3]

Es gibt nun eine praxistaugliche und vernünftige Alternative zum heutigen Geld- und Bankensystem: das so genannte Vollgeld. Das Ziel des Vollgeldkonzepts ist die Wiederherstellung des staatlichen Geldmonopols zum Wohl der Allgemeinheit. Allein Zentralbanken sollen die Befugnis haben, neues Geld in Umlauf zu bringen. Den Geschäftsbanken soll dies verboten werden. Damit könnte das Geldsystem dem Profitstreben privater Finanzakteure entzogen und in den Dienst am demokratisch definierten Gemeinwohl gestellt werden.

Dem Vollgeldkonzept liegt die Einsicht zugrunde, dass das Geldsystem die Schaltzentrale der gesamten Wirtschaft darstellt. Die gravierenden Probleme, die in der Finanzwirtschaft immer wieder auftreten und die Realwirtschaft infizieren, lassen sich nämlich zu einem erheblichen Teil auf Defizite des Geldsystems zurückführen. Ohne eine tief greifende Geldreform ist es nicht möglich, die Wirtschaft auf Stabilität, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit auszurichten.

Warum ist es nun überhaupt notwendig, das staatliche Geldmonopol wiederherzustellen, und wie soll das im Vollgeldsystem geschehen?

Heute haben Zentralbanken wie die Europäische Zentralbank oder die Schweizerische Nationalbank, was den Geldkreislauf im Publikum betrifft, nur bei der Emission von Münzen und Banknoten ein Monopol. Wegen der zunehmenden Verlagerung des Zahlungsverkehrs in elektronische Netzwerke werden Münzen und Banknoten jedoch immer mehr durch elektronisches Buchgeld ersetzt. Derzeit besteht rund 90 Prozent des zirkulierenden Geldes aus diesem durch private Geschäftsbanken bei der Kreditvergabe geschaffenen Buchgeld. Die bestehende Regelung der Geldemission ist also durch die technische Entwicklung überholt worden. Die Kontrolle über die Geldversorgung der Gesellschaft ist den Zentralbanken immer mehr entglitten und in die Hände privater Geschäftsbanken gefallen.

Mit der Ausweitung des staatlichen Geldmonopols auf das elektronische Buchgeld würde die Währungssouveränität der Zentralbank wiederhergestellt und eine empfindliche Gesetzeslücke geschlossen. Das staatliche Geldmonopol ist ja eine zentrale Voraussetzung für die Demokratie, denn das Geldsystem stellt in modernen Gesellschaften eine Infrastruktur von herausragender Bedeutung dar und die Schaffung finanzieller Ressourcen durch Geldemission gehört zu den wichtigsten gesellschaftlichen Steuerungsinstrumenten. Keine Gesellschaft kann deshalb demokratisch gesteuert werden, wenn ihr Geldsystem nicht demokratisch gesteuert wird. Dies ist in der Finanzkrise ab 2008 besonders deutlich geworden, als Regierungen und Parlamente, um Schlimmeres zu verhüten, sich gezwungen sahen, Geschäftsbanken mit gigantischen Staatsgeldern vor dem Kollaps zu bewahren.

Im Vollgeldsystem soll die Zentralbank deshalb zur vierten, monetären Staatsgewalt neben Legislative, Exekutive und Judikative ausgebaut werden, zu einer Monetative, die volle Kontrolle über die Geldversorgung der Gesellschaft hat. Sowohl das Bargeld als auch das elektronische Buchgeld würden ausschließlich durch die Monetative geschaffen. Die Monetative wäre der demokratischen Aufsicht unterstellt und müsste genauso transparent walten wie andere Staatsorgane. Um die Geldemission in Schranken zu halten und einer parteipolitischen Einflussnahme durch die jeweilige Regierung zu entziehen, wäre die Monetative per Gesetz dazu verpflichtet, die Geldmenge nach dem Wirtschaftswachstum auszurichten, um sowohl eine Deflation als auch eine Inflation der Konsumgüter- und Vermögenspreise zu vermeiden. Zugleich hätte die Zentralbank die Befugnis, den Außenwert der Währung auf dem internationalen Finanzmarkt mittels entsprechender Instrumente inflationsneutral zu steuern.

Auf diese Weise könnte der extrem schwankenden Geldemission der Geschäftsbanken ein Ende gesetzt werden. Geschäftsbanken steuern ja mit ihrer Kreditvergabe die Geldmenge, weil sie Kredite in Form von neu geschaffenem Buchgeld vergeben, das bei der Tilgung der Kredite wieder aus dem System verschwindet. In Zeiten hohen Wirtschaftswachstums vergeben die Banken freizügig Kredite, um vom Aufschwung zu profitieren, während sie in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation oder Rezession bei der Kreditvergabe sehr restriktiv sind, um ihre Risiken zu reduzieren. Auf diese Weise schaffen Geschäftsbanken bei Aufschwung zu viel und bei Abschwung zu wenig Geld und verstärken so die Schwankungen im Wirtschaftszyklus. Diese Schwankungen gehen regelmäßig mit der Bildung von Spekulationsblasen an den Immobilien- und Finanzmärkten einher, die früher oder später platzen und der Gesellschaft sowie dem Bankensektor selbst große Schäden zufügen.

Im Vollgeldsystem würde außerdem die Doppelspurigkeit behoben, die darin besteht, dass im heutigen Geldsystem zwei getrennte Geldkreisläufe nebeneinander existieren. Es gibt einen Geldkreislauf für das Publikum, d.h. für die Kunden der Geschäftsbanken, wo Bargeld oder elektronisches Buchgeld verwendet wird. Parallel dazu gibt es einen zweiten Geldkreislauf für die Geschäftsbanken und die Zentralbank, wo Reserven verbucht werden. Der Grund dafür ist, dass das von den Geschäftsbanken geschaffene Buchgeld aus Sicherheitsgründen zu einem bestimmten Anteil durch Reserven bei der Zentralbank gedeckt sein muss. Wie Bargeld stellen auch Reserven sicheres, gesetzliches Zahlungsmittel dar.

Nun wird der obligatorische Reserveanteil am Buchgeld seit Langem kontinuierlich gesenkt, sodass er heute praktisch keine Rolle mehr spielt: Im Euroraum liegt er derzeit bei einem Prozent. Das ist aber – obwohl auch andere Sicherheitsvorschriften für Banken existieren – gefährlich, denn das durch die Geschäftsbanken geschaffene Buchgeld ist in Wirklichkeit kein gesetzliches Zahlungsmittel, sondern lediglich ein Versprechen der Geschäftsbanken, ihren Kunden auf Wunsch gesetzliches Zahlungsmittel, d.h. Bargeld, zu liefern. Deshalb ist Buchgeld heute lediglich virtuelles Geld und mit einem Verlustrisiko behaftet. Die Kunden haben nämlich weit mehr Geld auf ihren Konten bei den Geschäftsbanken, als diese ihnen in Bar auszahlen können. Das stellt im Normalfall kein Problem dar, denn der Zahlungsverkehr wird größtenteils in elektronischem Buchgeld abgewickelt. Aber in Krisenzeiten kann es durchaus vorkommen, dass die Geschäftsbanken ihr Versprechen nicht einhalten können und die Kunden trotz der bestehenden Einlagensicherungssysteme einen Teil ihrer Bankeinlagen verlieren – wie zuletzt in Zypern geschehen.

Im Vollgeldsystem dagegen gäbe es nur einen einzigen Geldkreislauf, wo ausschließlich von der Monetative emittiertes gesetzliches Zahlungsmittel zirkulieren würde. Den Geschäftsbanken wäre es verboten, virtuelles Buchgeld zu schaffen. Das von der Monetative geschaffene Geld wäre vollkommen sicher – unabhängig davon, ob es sich in Form von Bargeld oder elektronischem Buchgeld in Umlauf befindet. Reserven wären überflüssig, denn die Einlagen der Bankkunden, die sie nicht als Investition den Banken ausleihen wollen, würden vollwertiges, sicheres Geld verkörpern, eben: Vollgeld. Die Geschäftsbanken würden diese Einlagen lediglich als Treuhändler verwalten, sie aber ohne Einverständnis der Kunden nicht für andere Zwecke wie z.B. Spekulation verwenden dürfen. Die Vollgeldkonten würden somit im Besitz der Bankkunden bleiben und wären nicht Teil der Bankenbilanz. In dieser Situation müssten nie wieder Banken mit Staatsgeldern gestützt werden, um den Zahlungsverkehr zu sichern, denn die nicht investierten Bankeinlagen wären alle vollständig vorhanden. Zugleich hätten die Bankkunden weiterhin die Möglichkeit, ihr Geld den Banken als Investition anzuvertrauen, und würden für das damit verbundene Risiko mit einer entsprechenden Rendite entschädigt.

Auf diese Weise würde bei den Geschäftsbanken eine Entflechtung von Geld und Kredit vollzogen und eine von ihrer Kreditvergabe unabhängige Steuerung der Geldmenge ermöglicht. Für die Geldemission wäre allein die Monetative zuständig, während die Geschäftsbanken nur aus ihrem eigenen und aus dem ihnen von ihren Kunden ausgeliehenen Geld Kredite vergeben könnten.

Eine weitere wichtige Innovation des Vollgeldsystems besteht darin, dass das durch die Monetative neu geschaffene Geld in die Staatskasse eingezahlt und durch Ausgaben der öffentlichen Hand in Umlauf gebracht werden soll. Das neu geschaffene Geld würde dem Staat schuldfrei zur Verfügung gestellt und durch die Staatskasse als Einnahme verbucht, so würde es Staatsanleihen ersetzen und Staatsschulden verringern. Dadurch würde die Trennung von Geld und Kredit auch bei der Geldemission durch die Monetative vollzogen, was weit reichende positive Auswirkungen die Gesellschaft hätte. Ein zentrales Problem des heutigen Geldsystems ist nämlich, dass Geld sowohl von Geschäfts- als auch Zentralbanken grundsätzlich als Schuld in Umlauf gelangt. Folglich kann eine angemessene Geldversorgung der Wirtschaft nur gewährleistet werden, wenn sich private und staatliche Akteure verschulden. Eine Erhöhung der Geldmenge bedeutet im bestehenden System immer zugleich eine Erhöhung der Verschuldung, was früher oder später zur Überschuldung einiger Akteure führt. So ist die aktuelle Staatsschuldenkrise das Ergebnis davon, dass die Schulden in den letzten Jahrzehnten systematisch auf die öffentliche Hand abgewälzt worden sind, während die Geschäftsbanken aufgrund ihrer Möglichkeit, fast unbegrenzt Buchgeld zu schaffen, enorme Extraprofite erzielt haben. Weil Geld heute eine Schuld verkörpert, müssen auf die gesamte zirkulierende Geldmenge Zinsen gezahlt werden, was zu einer Umverteilung von Wohlstand nach oben, von der Allgemeinheit zu einer kleinen Finanzelite führt.

Im Vollgeldsystem hingegen würde die Geldemission auch dadurch dem Gemeinwohl dienen, dass dem Staat ein beachtlicher Gewinn aus der Geldemission zufiele – in der Fachsprache Seigniorage genannt. Bei einem Wirtschaftswachstum von 2 Prozent würde dieser fortlaufend anfallender Gewinn im Euroraum rund 100 Milliarden Euro und in der Schweiz rund 10 Milliarden Schweizer Franken pro Jahr betragen.[4] Zudem könnten die Staaten am Stichtag der Umstellung vom heutigen Geldsystem auf das Vollgeldsystem sehr hohe einmalige Einnahmen verbuchen. An diesem Tag würde nämlich das in Form von Krediten geschaffene Buchgeld der Geschäftsbanken zu vollwertigem, gesetzlichem Zahlungsmittel umgewandelt, zu Vollgeld also, das nun nicht mehr den Geschäftsbanken, sondern dem Staat geschuldet wird. Die durch die Geschäftsbanken vergebenen Kredite würden zu Krediten der öffentlichen Hand an die Geschäftsbanken und ihre Kunden. Wenn diese Kredite innerhalb einer bestimmten Frist gegen Staatsanleihen getauscht  würden, könnten in Deutschland rund zwei Drittel und in Österreich rund 80 Prozent der Staatsschulden getilgt werden; in der Schweiz würden die Kredite der öffentlichen Hand sogar das Doppelte der derzeitigen Staatsschulden betragen.[5] Staatsschulden könnten also ohne drastische Sparmaßnahmen radikal gesenkt werden. Zugleich könnte das durch die Monetative kontinuierlich neu geschaffene Geld von der öffentlichen Hand zur Finanzierung gemeinwohldienlicher Zwecke verwendet werden. Damit würde die Erstverwendung von neuem Geld dem Profitstreben der Geschäftsbanken entzogen und der demokratischen Kontrolle unterstellt. Der kollektive Handlungsspielraum der Gesellschaft würde wesentlich erweitert.

Es lässt sich also zusammenfassend festhalten, dass die Einführung des Vollgeldsystems in hohem Maß dazu beitragen würde, die Demokratie und den Sozialstaat zu stärken, die Real- sowie die Finanzwirtschaft zu stabilisieren, die Sicherheit der Bankeinlagen zu gewährleisten und die soziale Gerechtigkeit zu befördern. Darüber hinaus ist die Umstellung auf Vollgeld unumgänglich, wenn die zerstörerische Wachstumsdynamik des bestehenden Wirtschaftssystems gebändigt und eine ökologisch nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft ermöglicht werden soll. Denn das schuldlos in Umlauf gebrachte Vollgeld würde die Wirtschaft von der schweren Zinslast weitgehend befreien, die sie heute dazu zwingt, ihre Produktivität und ihre Einnahmen ohne Rücksicht auf die Knappheit der vorhandenen Naturressourcen ständig zu steigern.

Die positiven ökonomischen Auswirkungen einer Umstellung auf das Vollgeldsystem wird in einer aktuellen Studie von Experten des Internationalen Währungsfonds’ eindeutig bestätigt.[6] Die beiden Verfasser der Studie gehen von einem so genannten 100%-Reserve-Ansatz aus, der eine Vorstufe des Vollgeldsystems darstellt, und ihre Ergebnisse zeigen eindrücklich, dass bereits die Realisierung dieser Vorstufe mit wesentlichen Verbesserungen für die Finanz- und Realwirtschaft verbunden wäre.

Bei der Umsetzung des Vollgeldsystems könnten sich natürlich auch Probleme ergeben. So bestünde die Gefahr, dass Geschäftsbanken zu wenig Kredite vergeben, dass die Monetative unter den Einfluss einer kurzsichtigen, inflationären Geldpolitik gerät und dass Geschäftsbanken das Verbot der privaten Geldemission mit der Kreation neuer Finanzprodukte umgehen. Auch wenn diese Probleme zeitweise auftreten würden, wiegen sie nicht so schwer wie die Probleme des bestehenden Geldsystems und könnten mit entsprechenden Regeln und einem ausbalancierten institutionellen Arrangement durchaus gelöst werden. Eine Vollgeldreform wäre für die Wirtschaft und die Gesellschaft also aller Wahrscheinlichkeit nach sehr vorteilhaft.

Prof. Dr. Mark Joób forscht am Institut für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen, lehrt an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Westungarischen Universität und ist Vorstandsmitglied des Schweizer Vereins Monetäre Modernisierung.


[1] Mervyn King in einer Rede am 25. Oktober 2012 an der Buttonwood-Versammlung des  Economist in New York.

[2] Vgl. Bernard Lietaer und andere (2012): Money and Sustainability. The Missing Link. Axminster: Triarchy Press, S. 51.

[3] Vgl. ebendort, S. 125-127.

[4] Diese Angaben basieren auf den entsprechenden Daten aus dem Jahr 2011 nach: Joseph  Huber  (2013): Monetäre Modernisierung. Zur Zukunft der Geldordnung: Vollgeld und Monetative. Marburg: Metropolis Verlag, S. 170.

[5] Vgl. ebendort, S. 176.

[6] Jaromir Benes und Michael Kumhof (2012): The Chicago Plan Revisited. IMF Working Paper WP/12/202, August 2012.

Individuelle Texte sind nicht durch das Diskursverfahren von kontrapunkt gelaufen.

3 Kommentare zum "Warum eine Vollgeldreform dringend notwendig ist"

  1. Philip Jacobsen 27. Juli 2013 um 12:59 Uhr ·

    Die so genannte „Vollgeldreform“ geht total in die falsche Richtung. Der Staat hat selber nichts im wirtschaftlichen Bereich zu suchen. Das ist nicht seine Aufgabe. Die Aufgabe des Staates ist es, diejenigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den wirtschaftlichen Akteuren ermöglichen und sie gleichzeitig dazu zwingen, ihre Aufgabe im Dienst der Menschen und der Menschheit zu erfüllen. Dazu gehört, dass die Banken sich wieder auf ihre eigentliches und ausschliessliche Aufgabe beschränken, zwischen Menschen, die Geld anderen zur Verfügung stellen können und wollen (Darlehensgebern) und Menschen, die für bestimmte Initiativen Geld brauchen (Darlehensnehmer) zu vermitteln und das Risiko stellvertretend für die Gemeinschaft auf eine vernünftige Art zu minimieren und dafür besorgt zu sein, dass das Restrisiko, das im Leben immer bleibt, auf sinnvolle Art von der Gemeinschaft getragen wird. Eine Bank ist von ihrem Wesen her eine Nonprofitorganisation. Wenn sie profitorientiert arbeitet, pervertiert sie ihre Aufgabe und ihr Wesen. Solche Banken werden die Giralgeldschöpfung nicht für ihre eigenen egoistischen Zwecke nutzen, denn sie werden keine mehr haben. Die Geldschöpfung gehört vom Wesen des Geldes und vom Geldfluss her gesehen zu den Kredit gebenden Banken. Die Banken sind zu verändern, nicht die Geldschöpfung. Die Vollgeldreform meint, im Geldschöpfungsprozess den Angelpunkt des Finanzwesens zu sehen und mit Vollgeld das Problem der Bankenpervertierung lösen zu können. Dies ist alter Wein in neuen Schläuchen, weil es die Banken selber in ihrer Profitorientierung unverändert lässt. Staatsmonopol ist, in welchem Bereich auch immer, per se, das heisst grundsätzlich immer und ohne Ausnahme, die falsche Lösung. Damit treibt man den Teufel mit dem Beelzebub aus. Die Vollgeldreform wird die Verhältnisse nur noch schlimmer machen.

    Ein weiteres kommt aber noch hinzu. Eine solche angedeutete Bankreform wird nicht möglich sein, ohne eine gleichzeitige radikale Eigentumsreform, die zwischen Verfügungseigentum (an herstellbaren Produkten) und Nutzungseigentum (an Boden einerseits und Unternehmen andererseits) und der damit verbundenen unterschiedlichen Handelbarkeit unterscheidet. Boden und Unternehmen müssen unverkäuflich, dürfen nur an neue qualifizierte Nutzer übertragbar sein. Das römische Eigentumsrecht führt dazu, dass der Gewinn individualisiert, der Verlust sozialisiert wird. Die Folgen davon erleben wir alle hautnah. Ohne dessen Überwindung werden sich die sozialen Verhältnisse nicht zum Wohle aller Menschen ordnen lassen.

  2. Hansruedi Weber 24. Oktober 2013 um 21:04 Uhr ·

    H.W.: Immer wieder staune ich, wie vorschnell und vernichtend die Vollgeldreform von Leuten abgeurteilt wird, die ganz offensichtlich nicht verstanden haben, worum es geht. Im Fall von Ph. J. ist das umso bedauerlicher, als er mit ein wenig Goodwill hätte bemerken müssen, dass unsere Vorstellungen von einem sozial verträglichen Geldwesen – wenn überhaupt – nicht weit auseinander liegen.

    Ph.J.: Die so genannte “Vollgeldreform” geht total in die falsche Richtung. Der Staat hat selber nichts im wirtschaftlichen Bereich zu suchen. Das ist nicht seine Aufgabe. Die Aufgabe des Staates ist es, diejenigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den wirtschaftlichen Akteuren ermöglichen und sie gleichzeitig dazu zwingen, ihre Aufgabe im Dienst der Menschen und der Menschheit zu erfüllen.

    H.W.: In einer modernen Wirtschaft und Gesellschaft ist die wichtigste genau dieser Rahmenbedingungen die verfassungsmässige Geldordnung. Und wenn sie eine freiheitliche Ordnung ist, zwingt sie auch die wirtschaftlichen Akteure nicht, ihre Aufgabe im Dienst der Menschen und der Menschheit zu erfüllen (was ohnehin nur eine Diktatur vermöchte). Aber sie stellt die rechtlichen Bedingungen her, unter denen diese Aufgabe mindestens nicht verunmöglicht werden kann. Das heutige Schuldengeldsystem zwingt jedoch die wirtschaftlichen Akteure dazu, die ethischen, sozialen und natürlichen Grundlagen (und Bedürfnisse) zu zerstören. Sie greift also auf verheerende Art in den menschlichen, wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Bereich ein. Mit diesem Übergriff macht die Vollgeldreform Schluss.

    Ph.J.: Dazu gehört, dass die Banken sich wieder auf ihre eigentliches und ausschliessliche Aufgabe beschränken, zwischen Menschen, die Geld anderen zur Verfügung stellen können und wollen (Darlehensgebern) und Menschen, die für bestimmte Initiativen Geld brauchen (Darlehensnehmer) zu vermitteln und das Risiko stellvertretend für die Gemeinschaft auf eine vernünftige Art zu minimieren und dafür besorgt zu sein, dass das Restrisiko, das im Leben immer bleibt, auf sinnvolle Art von der Gemeinschaft getragen wird.

    H.W.: Mit obigen Sätzen beschreibt Ph. J. exakt das Resultat einer Vollgeldreform für das Bankensystem. Warum somit die Vollgeldreform total in die falsche Richtung gehen soll, ist für keinen Kenner der Materie nachvollziehbar.

    P.J.: Eine Bank ist von ihrem Wesen her eine Nonprofitorganisation. Wenn sie profitorientiert arbeitet, pervertiert sie ihre Aufgabe und ihr Wesen. Solche Banken werden die Giralgeldschöpfung nicht für ihre eigenen egoistischen Zwecke nutzen, denn sie werden keine mehr haben. Die Geldschöpfung gehört vom Wesen des Geldes und vom Geldfluss her gesehen zu den Kredit gebenden Banken.

    H.W.: Die unbedingte Ausrichtung auf den eigenen Nutzen bzw. den Gewinn und den Shareholdervalue ist nicht nur das Merkmal der heutigen Banken (mit ganz wenigen Ausnahmen), sondern auch das Fundament der Betriebswirtschaft und der Wirtschaftswissenschaft. Dass dies dem sozialen Wesen sowohl der Banken wie andern Unternehmen und der Wirtschaft überhaupt widerspricht, ist offensichtlich. Aber kann man sich angesichts der lebenszerstörenden Wirtschaftspraxis damit begnügen festzustellen, Banken seien eigentlich Nonprofitorganisationen? Wenn sie es wären, hätten wir das heutige Chaos nicht. Damit sie es jedoch werden können, müssen auch die Banker selber und ihre Darlehensgeber und ihre Darlehensnehmer nonprofitorientiert sein. Ph. J. will die wirtschaftlichen Akteure daher zwingen, ihre Aufgabe im Dienst der Menschen und der Menschheit zu erfüllen. Die Vollgeldreform hingegen eliminiert einfach das Schuldenzwangssystem und stellt es dann den Menschen und den Unternehmen frei, sich human, sozial und ökologisch zu verhalten.

    Ph.J.: Die Banken sind zu verändern, nicht die Geldschöpfung. Die Vollgeldreform meint, im Geldschöpfungsprozess den Angelpunkt des Finanzwesens zu sehen und mit Vollgeld das Problem der Bankenpervertierung lösen zu können. Dies ist alter Wein in neuen Schläuchen, weil es die Banken selber in ihrer Profitorientierung unverändert lässt.

    H.W.: Wer die heutige Geldschöpfungspraxis verändert, verändert die Banken, weil sie sich dann auf ihre gemäss Ph. J. eigentliche Aufgabe beschränken können, zwischen Menschen, die Geld anderen zur Verfügung stellen und Menschen, die für bestimmte Initiativen Geld brauchen zu vermitteln. Auch er scheint übrigens im Geldschöpfungsprozess einen Angelpunkt des Finanzwesens zu sehen, wenn er festhält, die Geldschöpfung gehöre vom Wesen des Geldes und vom Geldfluss her gesehen zu den Kredit gebenden Banken. Aber warum denn zu den Banken, wenn sie sich doch auf die Vermittlerrolle beschränken sollen?

    Ph.J.: Staatsmonopol ist, in welchem Bereich auch immer, per se, das heisst grundsätzlich immer und ohne Ausnahme, die falsche Lösung. Damit treibt man den Teufel mit dem Beelzebub aus. Die Vollgeldreform wird die Verhältnisse nur noch schlimmer machen.

    H.W.: Orwell lässt grüssen (“Four legs good, two legs bad”). Das ist knallharter Dogmatismus, das Gegenteil lebendigen Denkens. Und mit der Verteufelung des Staates disqualifiziert Ph. J. nicht nur seine Argumentation, sondern auch sich selber. Erstens gibt es unzählige Beispiele und Bereiche, in denen Infrastrukturaufgaben – und um die monetäre Infrastruktur geht es bei der Vollgeldreform – exklusiv und nonprofitorientiert der öffentlichen Hand übertragen wurden, während umgekehrt mit Privatisierungen ehemals erfolgreiche staatliche Einrichtungen kaputt gemacht worden sind. Zweitens handelt es sich beim Geldschöpfungsregal gerade nicht um ein Monopol. Wer diesen Begriff auf die Geldordnung überträgt, verwechselt die Sphäre des Rechts mit der Sphäre des Marktes. Im marktwirtschaftlichen Zusammenhang (der notabene alles andere als der wirklichkeitsgemässe wirtschaftliche Zusammenhang ist) sind Monopole theoretisch zwar verpönt, aber bezeichnenderweise sind es durchwegs Quasi-Monopolisten, die den grossen Reibach machen.

    Ph.J.: Ein weiteres kommt aber noch hinzu. Eine solche angedeutete Bankreform wird nicht möglich sein, ohne eine gleichzeitige radikale Eigentumsreform, die zwischen Verfügungseigentum (an herstellbaren Produkten) und Nutzungseigentum (an Boden einerseits und Unternehmen andererseits) und der damit verbundenen unterschiedlichen Handelbarkeit unterscheidet. Boden und Unternehmen müssen unverkäuflich, dürfen nur an neue qualifizierte Nutzer übertragbar sein. Das römische Eigentumsrecht führt dazu, dass der Gewinn individualisiert, der Verlust sozialisiert wird. Die Folgen davon erleben wir alle hautnah. Ohne dessen Überwindung werden sich die sozialen Verhältnisse nicht zum Wohle aller Menschen ordnen lassen.

    H.W.: Einverstanden. Nur gilt eben auch das Umgekehrte: ohne eine radikale Geldreform, die zwischen Geld und Kredit bzw. Geldverfügung und Geldnutzung klar unterscheidet, wird auch eine Eigentumsreform nicht möglich sein. Das eine gegen das andere auszuspielen ist nicht gerechtfertigt und wohl ein Grund dafür, weshalb bisher weder das eine noch das andere ernsthaft in Angriff genommen wurde. (A propos alter Wein in neuen Schläuchen: seit der NWO Silvio Gesells im Jahr 1916 ist dieses Problem erkannt.)

  3. Christoph Pfluger 24. Oktober 2013 um 23:00 Uhr ·

    Die gigantischen «Gewinne» des Finanzsektors schlagen uns mit doppelter Blindheit: Zum einen vergessen wir, dass sie mit einer exorbitanten Inflation erkauft werden. Das private (!) amerikanische Federal Reserve System produzierte in den exakt hundert Jahren seiner Gründung eine kumulierte Inflationsrate von 2262 Prozent (www.usinflationcalculator.com). Das britische Pfund, die Weltwährung vor dem Dollar, erlitt in den hundert Jahren davor (1813 bis 1913) nur gerade einen Wertverlust von 37 Prozent (http://safalra.com/other/historical-uk-inflation-price-conversion). Inflation zerstört nicht nur die Vermögen der Sparer, sondern bewirkt eine Umschichtung zugunsten der Erstempfänger, die mit dem neu geschaffenen Luftgeld zu den alten Preisen einkaufen können. Deshalb ist die private Geldschöpfung so attraktiv für die Banken.

    Die zweite Blindheit besteht darin, dass wir gar nicht merken, dass dies im Grunde verfassungswidrig ist. Art 99 der Bundesverfassung schreibt klar und deutlich: «Das Geld- und Währungswesen ist Sache des Bundes; diesem allein steht das Recht zur Ausgabe von Münzen und Banknoten zu.» Nur: Das Geld- und Währungswesen besteht schon lange nicht mehr aus Münzen und Banknoten, sondern zu rund 90 Prozent aus Giralgeld, das die Banken aus dem Nichts schöpfen, jedes Mal, wenn sie einen Kredit vergeben.

    Die Wiederherstellung des staatlichen Geldmonopols hat nichts damit zu tun, dass der Staat in der Wirtschaft aktiv wird, wie Philip Jacobsen aus unerklärlichen Gründen befürchtet, sondern vielmehr mit der Wiederherstellung von gleichen Rahmenbedingungen für alle, wie er es fordert. Geldschöpfung darf kein Geschäft sein, schon gar nicht ein privates, sondern muss nach klaren Richtlinien im Interesse der Stabilität und des Gemeinwohls erfolgen. Genau das will die Vollgeld-Reform.

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